Wird es in 10 Jahren noch Geldscheine und Münzen geben? Wenn es nach den Deutschen geht, auf jeden Fall. In anderen Staaten ist das Bargeldvolumen schon bedeutend geschrumpft. Je jünger sie sind und je weniger an das Gefühl der knisternden Scheine und klingenden Münzen gewöhnt, desto aufgeschlossener reagieren Menschen auf innovative Bezahlverfahren wie Mobiles Payment oder die Bezahlung per RFID-Chip unter der Haut.
Welche Alternativen zum Bargeld gibt es?
Geld als Zahlungsmittel vereinfacht den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie Finanztransaktionen. Es existiert als Buchgeld, das virtuell von Konto zu Konto übertragen wird, als digitales Geld, das elektronisch in Speichermedien deponiert ist und als Bargeld, das von Hand zu Hand wandert. Bürger können neben Scheinen und Münzen Girocards, Kreditkarten oder Online-Zahlungsdienstleister sowie Smartphones und Tablets oder Finger-Payment zur Bezahlung nutzen. Die Verwaltung von Bargeld in seiner gegenständlichen Form ist am aufwendigsten und teuersten und daher dessen Verwendung seit Jahren auf dem Rückzug. Der Umfang des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wächst beständig.
Im Jahr 2016 wurden mittels Überweisung, Lastschrift, Kartenzahlung oder Scheck deutschlandweit rund 54.450 Milliarden Euro im bargeldlosen Zahlungsverkehr umgesetzt. Von 1995 bis 2015 stieg die Anzahl der ausgegebenen Kreditkarten um etwa 60 Prozent. Die mit einer Kreditkarte durchschnittlich beglichenen Beträge sind mit 59 Euro fast doppelt so hoch wie die mit Girocard bezahlten Umsätze von 30 Euro. Zahlen die Deutschen mit Bargeld, sind die Beträge wesentlich geringer und liegen lediglich bei 13 bis 14 Euro.
Welche Tendenzen sind weltweit zu verzeichnen?
Damit sind die Deutschen jedoch keineswegs Spitze, sie zählen weltweit zu den Schlusslichtern, wenn es um die Reduzierung von Bargeldtransaktionen geht. International wurden 2016 mehr Transaktionen mit Karten als mit Bargeld bezahlt, insgesamt im Wert von gut 23 Billionen Dollar. In Europa sind die Dänen und Schweden am fortschrittlichsten, weltweit wird in Asien und Schwellenländern am meisten bargeldlos gezahlt, zum Beispiel in Indien, Äthiopien oder Kenia.
Während das Volumen der weltweiten bargeldlosen Zahlungen bis zum Jahr 2020 voraussichtlich um durchschnittlich 10,9 Prozent wachsen soll, wird das Volumen der bargeldlosen Zahlungen in den Schwellenländern laut Prognose des World Payments Report 2017 (WPR 2017) um 19,6 Prozent steigen. Dies ist das dreifache der vorausgesagten Wachstumsrate für die Industriestaaten von 5,6 Prozent. (Quelle: www.capgemini.com, World Payments Report 2017: Weltweit mehr bargeldlose Zahlungen, Barbara Schaffrath, 09.10.2017)
Wie entwickelt sich der bargeldlose Zahlungsverkehr in Europa?
80 Prozent aller Zahlungen in Schweden werden elektronisch oder per Bankkarte getätigt. In Dänemark unterstützt der Staat aktiv die Verdrängung des Bargelds. Das Parlament erließ ein Gesetz, demnach Einzelhändler, Tankstellen und Restaurants nicht mehr verpflichtet sind, Scheine und Münzgeld entgegenzunehmen. Mehr als ein Viertel aller Dänen soll bereits mit Mobilem Payment in Supermärkten zahlen. In einigen europäischen Ländern gelten seit der Finanzkrise Höchstgrenzen für die Bezahlung mit Bargeld.
Gründe für die Zunahme der bargeldlosen Transaktionen
FinTechs machen herkömmlichen Banken und Zahlungsdienstleistern längst die Führungsrolle im unbaren Zahlungsverkehr streitig. Die Entwicklung von modernen Bezahlverfahren ist nicht mehr auf die Zahlungsdienstleister PayPal oder die chinesische Alipay beschränkt. Internetkonzerne sind dabei, sich mit elektronischen Bezahlsystemen wie Google Wallet oder Amazon Pay völlig autark von Finanzdienstleistern als Komplettanbieter auf dem Markt zu etablieren. Der E-Commerce wird weiterhin mit gigantischen Zuwachsraten wachsen, allein in Westeuropa soll er laut Experteneinschätzungen bis 2022 jährlich um mehr als 11 Prozent zunehmen. Die diverse Internetanbieter für Finanzthemen, wie z. B. für Geldtransfers, Peer-to-Peer-Kredite oder Portale zum Finden von Online-Krediten (smava), tragen ihren Teil zu einer bargeldlosen Welt bei.
Kryptowährungen rufen durch steigende Bewertungen das Interesse wachsender Bevölkerungskreise hervor. Kreditkartenanbieter verbessern ihre Konditionen und überschwemmen den Markt mit kostenlosen Varianten. Der Bequemlichkeitsfaktor ist durch das Mobile Payment gestiegen, der Kunde muss zum Bezahlen nur sein Smartphone nahe ans Kassenterminal halten. Die Akzeptanzstellen dafür haben sich auch in Deutschland stark erhöht.
Warum geht die Entwicklung in Deutschland nicht schneller voran?
Bargeld ist mit 79 Prozent immer noch das meistgenutzte Zahlungsmittel in Deutschland. Das hängt neben der lieb gewordenen Gewohnheit damit zusammen, dass die Verwendung von Bargeld ein Stück gelebte Freiheit bedeutet. Die Angst, Opfer von digitaler Kriminalität zu werden, ist in der Bundesrepublik weit verbreitet, ebenso die Angst vor dem Überwachungsstaat und Datenmissbrauch. Durch Kartenzahlungen und kontaktloses Bezahlen per Smartphone fühlt sich der Durchschnittsdeutsche als gläserner Kunde. Die Anonymität des Bezahlvorgangs geht in der bargeldlosen Welt verloren.
Bei Kartenzahlungen ist außerdem die Gefahr, die Kontrolle über die Ausgaben oder bei Kreditkarten über die Rückzahlung des Kredits zu verlieren, ungleich größer. Viele Deutsche hegen auch Bedenken, im Verlustfall keine andere Bezahlmöglichkeit mehr zu haben.
Chancen für eine bargeldlose Zukunft
Die bargeldlose Welt wird eines Tages Realität werden. Dafür spricht, dass unbare Zahlungsvorgänge wesentlich effizienter und schneller abgewickelt werden können als bare Transaktionen. Außerdem sind sie transparent und einfacher zu verfolgen als das Bezahlen mit Scheinen und Münzen. Daraus resultiert eine bessere Verfolgbarkeit von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Schwarzarbeit sowie bessere Kontrolle der Terrorfinanzierung.
Der deutsche Staat könnte beispielsweise Mehreinnahmen in Höhe von ca. 35 Milliarden Euro jährlich durch Eindämmung der Schattenwirtschaft generieren. Bevor die Produktion und Lagerung von Bargeld jedoch gänzlich beendet werden kann, gehen sicher noch mehr als 10 Jahre ins Land. Die Abschaffung des Bargelds ist indes keine ferne Utopie mehr.
Quellen:
https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2015/8/mit-bargeld-zahlen-ein-auslaufmodell/
http://www.marketagent.com/webfiles/pdf/pressemeldungen/%7B99CFE04A-A596-47D7-B972-79F117BAEF71%7D.PDF
http://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/moderne-zahlsysteme-wie-bargeldlos-ist-unsere-zukunft/9716606.html